Von Michael Mosuch / RED
In Berlin wird derzeit so heftig über Stimmen gestritten, dass der politische Beobachter meinen könnte, man befände sich bei einer Castingshow. Der Grund: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verfehlte bei der Bundestagswahl im Februar mit rund 9.500 zuwenig Stimmen knapp die Fünf-Prozent-Hürde und kam auf 4.981 Prozent. Somit fehlten 0.019 Prozent zum Einzug in den 21. Bundestag – ein Abstand, der kleiner ist als der Toleranzbereich einer durchschnittlichen Küchenwaage. Entsprechend vehement forderte das BSW eine Neuauszählung. Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags lehnte dies nun ab: alles sei ordnungsgemäß gelaufen, es habe keine mandatsrelevanten Fehler gegeben, bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
Fabio De Masi, BSW-Vize und designierter Parteivorsitzender reagierte über die Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses mit der Gelassenheit eines Menschen, der nicht überrascht ist: Der Bundestag sei „befangen“ und das Wahlprüfungsverfahren „vordemokratisch“, sagte De Masi gegenüber n-tv. Schließlich dürfe man wohl kaum erwarten, dass die Mehrheit freiwillig ihre eigene Mehrheit gefährde – schon gar nicht unter einem Kanzler Merz, dessen Beliebtheitswerte derzeit irgendwo zwischen Zahnarztbesuch und Steuererklärung rangieren.
Das BSW weist darauf hin, dass 60 Prozent aller Korrekturen nach der Wahl ausgerechnet ihnen zugutekamen. Das darf als ein statistisches Wunder gelten, welches allerdings in Bayern und Hamburg wohl niemanden beeindruckte, weshalb man dort auch lieber erst gar nicht prüfte.
Nun zieht das Bündnis nach Karlsruhe. Falls das Verfassungsgericht eine Neuauszählung anordnet, könnten die politischen Kräfte in Berlin neu sortiert werden.