Von Michael Mosuch / RED
Julia Klöckner: „Unsere Demokratie lebt vom Streit der Argumente, von der auch mal harten, aber sachlichen Auseinandersetzung. Unterschiedliche Meinungen sind ihr Wesen, nicht ihr Problem.“
Mit präsidialem Ernst eröffnete Bundestagspräsidentin Julia Klöckner die erste Sitzungswoche im November 2025. Ihr besonderer Gruß galt dem Abgeordneten Dr. Bernd Baumann (AfD), dessen Auto in Hamburg den Eifer linksextremer politischer Überzeugung zu spüren bekam und in Flammen aufging.
Die Bundestagspräsidentin erinnert in ihrer Rede eindringlich daran, dass Gewalt –egal aus welcher Richtung– in einer Demokratie keinen Platz hat. Denn Demokratie lebe vom Streit der Argumente, nicht von Gewalt. Drohbriefe, Brandanschläge und Einschüchterungsversuche würden nicht nur einzelne treffen, sondern das ganze System. Wer andere einschüchtern will, greife nicht nur Menschen, sondern auch die politische Kultur an. Wenn engagierte Menschen deswegen das Feld räumen, bleibe die Demokratie leer zurück – und die Extremisten freuen sich über den freigewordenen Raum.
Im folgenden die Rede der Bundestagspräsidentin im Wortlaut:
Guten Tag, alle zusammen! Herzlich willkommen! Die Sitzung ist hiermit eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich zu dieser ersten von drei Sitzungswochen im November, und besonders begrüßen möchte ich – ich hoffe, dass wir ihn gleich noch sehen – unseren Kollegen Dr. Baumann.
In Hamburg wurde das Auto seiner Familie in Brand gesetzt, verbunden mit einem Bekennerschreiben der linksextremistischen Szene, das zudem Gewalt- und Mordaufrufe enthält. Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Aggressionen müssen uns alle empören, ganz gleich, welcher politischen Überzeugung wir sind.
Es gibt keine vermeintlich gute oder richtige Gewalt in der Demokratie. Keine politische Überzeugung rechtfertigt solche Angriffe. Denn Gewalt, Drohungen, Einschüchterungsversuche auf Politikerinnen und Politiker unseres Landes sind auch Angriffe auf unsere politische, auf unsere demokratische Kultur, egal ob auf der Bundes-, auf der Landes- oder auf der kommunalen Ebene. Sie treffen eben nicht nur die Opfer und ihre Familien persönlich. Sie sind Angriffe auf unsere demokratische Grundordnung, die uns alle miteinander verbinden sollte. Es gibt weitere Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, die selbst erfahren haben, was solche Taten bedeuten. Ich erinnere zum Beispiel an den rechtsextremistischen Brandanschlag auf den Kollegen Ferat Koçak vor einigen Jahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen jedem Angriff gemeinsam und uneingeschränkt entgegentreten – hier im Haus, aber auch in der Gesellschaft als Ganzes. Alle, die Opfer politisch motivierter Gewalt geworden sind, dürfen und müssen sich unseres Beistandes gewiss sein
Unsere Demokratie lebt vom Streit der Argumente, von der auch mal harten, aber sachlichen Auseinandersetzung. Unterschiedliche Meinungen sind ihr Wesen, nicht ihr Problem.
Doch Angriffe auf Volksvertreter gefährden tatsächlich die parlamentarische Demokratie, wenn wir ihnen nicht uneingeschränkt und ohne Ansehen der Person entgegentreten. Lassen Sie uns bitte ein Klima fördern, in dem Engagement nicht mit Einschüchterung und Bedrohung bezahlt werden muss, gerade auch dort, wo die Demokratie besonders verletzlich ist: in unseren Kommunen, in den Städten, in den Dörfern unseres Landes. Häufig beginnt es ja in diesem vermeintlich Kleinen. Nicht wenige von uns wissen von Angriffen auf Wahl- kreisbüros oder Drohbriefen im heimischen Briefkasten zu berichten.
Wenn die Folge dieser Gewaltandrohung der Rückzug aus politischen Ämtern ist, dann hat nicht der Parlamentarismus, dann hat nicht unsere Demokratie, dann hat nicht der Souverän obsiegt, sondern Extremisten, die unsere Grundordnung nicht akzeptieren: Und das dürfen wir niemals akzeptieren.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der politische Streit gehört ins Wort und nicht in die Tat. Nun geht es für uns weiter mit den Worten.“
