Von Michael Mosuch / RED
Der Jakob-Mierscheid-Steg ist vermutlich das einzige Bauwerk der Berliner Republik, das nach einer nicht existierenden Person benannt wurde – und zudem eines, das völlig ohne Skandal, Untersuchungsausschuss oder Fehlplanung auskam. Am 1. April 2004 erhielt die Fußgängerbrücke über die Spree ihren Namen zu Ehren von Jakob Maria Mierscheid, MdB seit 1979. Dass Mierscheid weder je kandidiert hat geschweige denn lebte, stört dabei niemanden.
Der Jakob-Mierscheid-Steg verbindet das Paul-Löbe-Haus (links im Bild, Jargon: PLH) mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (rechts im Bild, Jargon: MELH) und ist baulich durchaus beeindruckend: eine rund 100 Meter lange Gebäudebrücke in der sechsten Etage, nur von den beiden verbindenden Gebäuden aus begehbar, freischwebend und mit Wetterschutz. Der Steg gehört zum sogenannten Band des Bundes: einem architektonischen Ost-West-Riegel, der die Ministerien symbolisch zusammenführt.
Im Parlamentsjargon heißt der Jakob-Mierscheid-Steg auch „höhere Beamtenlaufbahn“. Der Name ist naheliegend, schließlich pendelt hier täglich politisches Spitzenpersonal hin und her. Am Geländer wurde im Jahr 2014 ein Schild mit der Aufschrift „Jakob-Mierscheid-Steg“ feierlich angebracht. Das Schild wurde zwischenzeitlich wieder abgebaut. Man munkelt, dass die Schrauben nicht hielten, was gewisse Kreise als subtile Kritik an der deutschen Schraubenindustrie gedeutet haben sollen.
So bleibt der Jakob-Mierscheid-Steg das wohl ehrlichste Bauwerk im Regierungsviertel: Es hat einen messbaren Nutzen, trägt dabei den Namen einer Fiktion – und wirkt gleichzeitig erstaunlich realistisch.
